14 April 2008
Playlist Sendung vom 11. April 2008
Shantel: Disko Partizani
Shantel: Immigrant Child
Shantel: Fige Ki Ase Me
Shantel: Bucovina (Original Version)
The Black Seeds: Sometimes enough
The Black Seeds: Into the dojo
The Black Seeds: The Answer
Quantic & Nickodemus feat. Tempo & The Candela Allstars: Mi Swing Es Tropical
Die letzte Sendung zum (nochmal) anhören:
11 April 2008
09 April 2008
Filme von Fatih Akin und wie junge Autorinnen Tabus brechen
Wie werden die letzten Tabus unserer Zeit gebrochen? Ich stelle zwei Buchbeispiele junger Autorinnen vor, die auf unterschiedliche Art Dinge thematisieren, die sonst eher verschwiegen werden. Die Dresdnerin Franziska Gerstenberg, die als neuer Stern am Literaturhimmel gilt, erzählt von Menschen, "denen ihre Probleme tief unter die Haut gefahren sind". [Klappentext Schöffling & Co.]. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Mit ihr habe ich über ihr Buch "Solche Geschenke" gesprochen.
Ganz anders Charlotte Roche. Als "angenehm unzimperlich" bezeichnet Silvia Bovenschen den Stil Roches in ihrem neu erschienenen Roman "Feuchtgebiete".
Charlotte Roche, als Viva-Moderatorin und Schauspielerin bekannt, wagt mit ihrem Erstlingsroman den intimen Blick auf und in den eigenen Körper. "Sie unternimmt mit "Feuchtgebiete" eine Exkursion zu den letzten Tabus der Gegenwart. Mutig, radikal und provokant rebelliert ihr Roman gegen Hygienehysterie und die sterile Ästhetik der Frauenzeitschriften, gegen den standardisierten Umgang mit dem weiblichen Körper und seiner Sexualität- und erzählt dabei die wunderbar wilde Geschichte einer ebenso genusssüchtigen wie verletzlichen Heldin." [Klappentext DuMont].
Viel Spaß beim Zuhören.
Euer Babelfisch.
Filmbesprechung "Gegen die Wand" von Frauke Holländer
Gegen die Wand
Deutschland 2003
Regie und Buch: Fatih Akin
Darsteller: Birol Ünel (Cahit)
Sibel Kekilli (Sibel)
Catrin Striebeck (Maren)
Der 40-jährige Cahit türkischer Herkunft hat mit dem Leben abgeschlossen. Völlig betrunken fährt er mit voller Wucht gegen eine Betonwand. Er überlebt und findet sich mit Halskrause in einer Psychiatrie wieder. Der Arzt dort sagt ihm: „Sie können Ihrem Leben auch ein Ende setzen ohne sich umzubringen“.
Dieser ironische Appell, als Aufforderung, das Leben einfach anders zu leben als bisher, kann als Vorwegnahme der weiteren Filmhandlung gedeutet werden.
Cahit begegnet in der Anstalt der jungen und hübschen Türkin Sibil, die sich die Pulsadern aufgeschnitten hat, um ihrer traditionellen Familie zu entkommen, da sie ein Leben jenseits der Konventionen vorzieht, sich ausleben will. Da auch sie überlebt hat, sucht sie nach einer anderen Fluchtmöglichkeit: Sie schlägt Cahit vor, eine Scheinehe mit ihr einzugehen.
Cahit, der völlig heruntergekommen und vom Tod seiner Ehefrau niedergeschmettert, sein eigenes Leben kaum auf die Reihe bekommt, und seine Wut und Ohnmacht mit Alkohol bekämpft, lehnt dies ab, wird von Sibil jedoch durch eine erneute Selbstverletzung doch dazu gebracht einzuwilligen.
Die Hürden, den netten Anwärter und Schwiegersohn in spe zu spielen sind bald genommen, die beiden teilen sich eine Wohnung, sonst trennen sie jedoch Welten. Er schläft mit seiner Bekannten Maren, Sibil mit vielen verschiedenen Männern.
Allmählich verliebt sich Cahit in Sibil und im Affekt erschlägt er einen ihrer Liebhaber worauf hin sie das Land verlassen muss, sie geht zu ihrer Kusine nach Istanbul. Am Tiefpunkt der filmischen Handlung ist die stille und langsam gewachsene Liebesbeziehung der beiden am Höhepunkt angelangt. Beide verzehren sich vor Sehnsucht nach dem anderen. Nur Erfüllung gibt es keine.
Nachdem Cahit entlassen wurde, sucht er Sibil in Istanbul auf und schlägt ihr vor, mit ihm in seine Heimatstadt zu gehen, für immer.
So wuchtig die erste Selbstmordszene Cahits und der autoagressive Ausbruch Sibils, in dem sie sich einen abgebrochenen Flasche in den Arm rammt, so wuchtig ist die gesamte Sprache des Regisseurs. Mit viel Kraft wird die Geschichte erzählt, die sehr leise ist: die sich langsam entwickelnde Liebe der beiden, die Entwicklung ihrer Persönlichkeit aus den leidvollen Erfahrungen, ein wunderbares Zusammenspiel. Die deutsch-türkische Thematik von Identität, Assimilation, doppel-Identität schwingt am Rande immer mit und wird durch drei verschiedene Perspektivierungen gut eingefangen: der deutschen, der türkischen und der bi-nationalen.
Die folkloristische Musikgruppe, die ein türkisches Volkslied am Bosporus vor malerischer Stadtkulisse anstimmt, trennt den Film in einzelne thematische Sequenzen und stimmt inhaltlich auf die nächsten Filmereignisse ein.
Gleichwohl wird nicht nur das traditionelle Bild Istanbuls gezeigt und es wird kräftig mit Vorurteilen aufgeräumt.
Der Film selbst, der Fatih Akin den Goldenen Bären brachte, sorgte für Wirbel in der Türkei. Als Gegen die Wand in die türkischen Kinos kam, war der Film längst ein Begriff – weniger wegen des Goldenen Bären der Berlinale als wegen der Berichte über die Porno-Vergangenheit von Hauptdarstellerin Sibel Kekilli. Das sicherte dem Film gleich zum Start das Zuschauerinteresse. Doch der Besucherstrom hält an, obwohl der Skandal schon wieder vergessen ist. In den ersten beiden Wochen hat der Film rund 110000 Zuschauer ins Kino gezogen –für türkische Verhältnisse ein großer Erfolg. Gegen die Wand liegt damit auf Platz drei in den türkischen Kino-Charts, in Detuschland belegt er derzeit Platz acht.
Er kenne niemanden, der von Akins Liebes-Drama nicht begeistert wäre, so Ugur Vardan, Filmkritiker der liberalen Istanbuler Zeitung „Radikal“. Auch das Echo der eher konservativen Presse ist überraschend gut. Der Film spricht in der Türkei unterschiedliche Zuschauergruppen an. Hunderttausende kennen die Verhältnisse in Deutschland aus eigener Erfahrung und wissen, wie es sich anfühlt, zwischen zwei Kulturen zu stecken. „Deutschlinge nennen die Türken ihre Landsleute in der Bundesrepublik, die zwischen allen Stühlen sitzen.
Filmografie Fatih Akin
1998: Adolf-Grimme-Preis, Bayerischer Filmpreis, Bronzener Leopard des Internationalen Filmfestivals von Locarno und weitere Auszeichnungen für Kurz und schmerzlos.
2002: DEFA-Nachwuchspreis.
2004: Goldener Bär der Berlinale 2004, Deutscher Filmpreis und Europäischer Filmpreis 2004 für Gegen die Wand.
2007: Prix du Jury oecuménique der Internationalen Filmfestspiele von Cannes für Auf der anderen Seite
2007: Preis für das beste Drehbuch bei den Internationalen Filmfestspiele von Cannes für Auf der anderen Seite
2007: Norddeutscher Filmpreis in der Kategorie bester Spielfilm für Auf der anderen Seite
2007: Europäischen Filmpreis 2007 als bester Drehbuchautor für Auf der anderen Seite
2007: Offizieller deutscher Beitrag für eine Nominierung als Bester fremdsprachiger Film für die Oscarverleihung 2008 mit Auf der anderen Seite
2008: Bayerischer Filmpreis 2007 als bester Regisseur für Auf der anderen Seite
2008: Karlsmedaille für europäische Medien
Aktuell: Die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis wurden bekannt gegeben: Fatih Akin hat gleich fünf Mal die Chance auf die begehrte "Goldene Lola".
Fatih Akin hat in folgenden Produktionen mitgewirkt:
Chiko, 2007 (Produktion) Gangsterfilm, Drama
Auf der anderen Seite (2007), 2007 (Regie, Produktion, Buch)
Takva - Gottesfurcht, 2006 (Produktion)
Diebstahl alla Turca, 2005 (Darsteller: "Lokman") Komödie, Gangsterfilm
Crossing The Bridge - The Sound of Istanbul, 2005
(Produktion, Buch, Regie) Musikfilm, okumentarfilm
Europäische Visionen, 2004 (Regie: 4 Die bösen alten Lieder, Buch: 4, Produktion: 4)
Kebab Connection, 2004 (Buch) Komödie
Gegen die Wand, 2004 (Regie, Produktion, Buch)
Drama, Tragikomödie
Planet der Kannibalen, 2003 (Darsteller)
Solino, 2002 (Regie)
Wir haben vergessen zurückzukehren, 2001 (Buch, Regie) Dokumentarfilm
Ein göttlicher Job, 2000 (Darsteller)
Im Juli, 1999 (Regie, Buch)
Black Souls (Kismet), 1999 (Darsteller: "Tony") Thriller
Kurz und schmerzlos, 1998 (Regie, Buch) Kriminalfilm
08 April 2008
Rezensionen zu "Feuchtgebiete"
DuMont Verlag, Köln 2008ISBN 3832180575
Nach einer missglückten Intimrasur liegt die 18-jährige Helen auf der Inneren Abteilung von Maria Hilf. Sie wartet auf den Besuch ihrer geschiedenen Eltern, in der irren Hoffnung, die beiden könnten sich am Krankenbett der Tochter endlich versöhnen. Unterdessen nimmt sie jene Bereiche ihres Körpers unter die Lupe, die gewöhnlich als unmädchenhaft gelten, und lässt Krankenpfleger Robin die Stellen fotografieren, die sich ihrem neugierigen Blick entziehen. Nebenher pflegt sie ihre Sammlung von Avocadokernen, die ihr auch in sexueller Hinsicht wertvolle Dienste leisten. Selbst wenn Helens Besessenheit eine Notoperation nötig werden lässt - ihr ungestümer Witz und ihre Wahrhaftigkeit machen sie zu einer Sensation nicht nur auf der Station des Krankenhauses. Sie spricht aus, was andere nicht einmal zu denken wagen.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2008
Sehr viel gemeinsam hat Charlotte Roche, daran lässt Patrick Bahners keinen Zweifel, mit dem Papst. Oder jedenfalls dem Papst, wie eine Figur in Denys Arcands in dieser Kritik sehr, sehr ausführlich zum Vergleich herangezogenem Film "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" ihn sieht: als in Sachen Sexualität auf seine ganz privaten Probleme (Masturbation, Prostata) reduziert. Um eine solche Reduktion geht es auch der als unkonventionelle Fernsehperson aufgefallenen Charlotte Roche. Als Romanautorin lässt sie nun eine ihr zu siebzig Prozent - sagt sie laut Bahners in Interviews - ähnelnde achtzehnjährige Heldin namens Helen furchtbare Hämorrhoidenprobleme haben. Und die sind willkommener Anlass, auch auf den weiblichen Restkörper den unerschrockenen Blick der wissenschaftlichen Beobachterin in eigener Sache zu werfen. Bahners findet das "klug" Und meint, dass hier die Perspektive von Engeln auf sehr Irdisches eingenommen wird. Der Rest ist Legende und "Autohagiografie".
Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.02.2008
Wohlwollend äußert sich Rezensentin Jenni Zylka über Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete", auch wenn ihr das Buch wie ein "Schleimporno gegen den Hygienezwang" vorkommt. Im Mittelpunkt stehe die 18-jährige Helen, die wegen einer Analfissur im Krankenhaus liegt und über ihre Leidenschaft für Sex, Kot, Schleim, Blut, Eiter und Schorf monologisiert. Ein echter Porno ist das Werk in Zyklas Augen natürlich nicht, auch wenn es recht drastisch zur Sache geht. Als Aufschrei gegen den in unserer Gesellschaft grassierenden Hygienewahn, als "Hommage an das Unhygienische" und "Pamphlet für Masturbation" weiß sie das Werk durchaus zu schätzen, zumal sie der Autorin einen feministischen Impetus attestiert. Allerdings scheinen ihr die Geschichte recht dürftig und die Figur der Helen "seicht". Für sie funktioniert das Buch nur auf der "Ebene der Provokation". Das eigentlich Mutige daran ist ihres Erachtens, dass die allseits beliebte Charlotte Roche in Kauf nimmt, dass sich FeuilletonistInnen, die sie vorher mochten, nun angeekelt von ihr abwenden.
Lesereise von Charlotte Roche unter www.charlotteroche.de
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.08.2007
Franziska Gerstenbergs "Solche Geschenke"
Ganz "wunderbar" findet Rezensentin Anja Hirsch diesen Band mit vierzehn Erzählungen Franziska Gerstenbergs. Sie attestiert der Autorin, "große Themen" gekonnt "auf Kleinformat" einzudampfen und dabei eine erstaunliche Menschenkenntnis an den Tag zu legen. Die Geschichten über den Haarausfall der Freundin, die Pflege des dementen Vaters, den Autounfall der Mutter oder das Familienfest thematisieren für sie zumeist die "Auflösung alter Strukturen" und den Beginn neuer Verhältnisse. Bewunderung äußert sie dabei nicht nur für Gerstenbergs Talent, den Leser in ihre Geschichten hineinzuziehen, sondern vor allem für ihre Souveränität, die Figuren in ihren Geschichten in das Leben der anderen Figuren hinein zu ziehen, bis sie "fast zur Unkenntlichkeit darin verschwinden", so dass ein "Gefühl subtiler Bedrohung" entsteht.
Tabubrüche in der jungen deutschen Literatur
Ebenso Charlotte Roche: In Zeiten, in denen es keine Tabus mehr zu geben scheint, wagt sie den intimen Blick auf und in den eigenen Körper. "Sie unternimmt mit "Feuchtgebiete" eine Exkursion zu den letzten Tabus der Gegenwart. Mutig, radikal und provokant rebelliert ihr Roman gegen Hygienehysterie und die sterile Ästhetik der Frauenzeitschriften, gegen den standardisierten Umgang mit dem weiblichen Körper und seiner Sexualität- und erzählt dabei die wunderbar wilde Geschichte einer ebenso genusssüchtigen wie verletzlichen Heldin." [Klappentext DuMont].
Impressionistinnen - Schirn Kunsthalle Frankfurt a. Main
Ein großes Publikum begeistert sich für impressionistische Malerei und strömt in Ausstellungen zur Epoche. Aber warum werden dort neben Werken von Monet, Manet, Degas, Renoir oder Pissarro nur so wenige ihrer Malerkolleginnen gezeigt?
Denn auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es Berufskünstlerinnen, und die hochkarätigen und attraktiven Ölbilder, Pastelle, Aquarelle, Zeichnungen und Radierungen dieses Bandes stammen von vier der bedeutendsten unter ihnen: Berthe Morisot, eine zentrale Gestalt der impressionistischen Bewegung, Mary Cassatt, die als von Degas respektierte Kollegin eine sehr eigenständige Rolle spielte, Eva Gonzalès, eine begabte Manet-Schülerin, und Marie Bracquemond, deren schmales Œuvre höchste Qualität beweist: Die Arbeiten der Französinnen und der Amerikanerin spiegeln unterschiedliche Lebensläufe und weibliche Erfahrungswelten. Sie wurden bisher erst selten präsentiert, sodass in der Publikation viele »neue«, weithin noch unbekannte, überraschende Bilder auf ihre Entdeckung warten.
Ausstellungen:
Schirn Kunsthalle Frankfurt 22.2.-1.6.2008
Fine Arts Museums of San Francisco 21.6.–21.9.2008
Katalog:
Impressionistinnen Berthe Morisot, Mary Cassatt, Eva Gonzalès, Marie Bracquemond Hrsg. Ingrid Pfeiffer, Max Hollein, Text von Jean-Paul Bouillon, Pamela A. Ivinski, Sylvie Patry, Ingrid Pfeiffer, Griselda Pollock u.a.Deutsch 2008. 320 Seiten, 305 Abb., davon 274 farbig24,60 x 29,50 cm gebunden mit Schutzumschlaglieferbar ISBN 978-3-7757-2078-6 - € 39,80
Quelle: http://www.art-in.de