08 April 2008

Rezensionen zu "Feuchtgebiete"


Feuchtgebiete

DuMont Verlag, Köln 2008ISBN 3832180575

Gebunden, 220 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext
Nach einer missglückten Intimrasur liegt die 18-jährige Helen auf der Inneren Abteilung von Maria Hilf. Sie wartet auf den Besuch ihrer geschiedenen Eltern, in der irren Hoffnung, die beiden könnten sich am Krankenbett der Tochter endlich versöhnen. Unterdessen nimmt sie jene Bereiche ihres Körpers unter die Lupe, die gewöhnlich als unmädchenhaft gelten, und lässt Krankenpfleger Robin die Stellen fotografieren, die sich ihrem neugierigen Blick entziehen. Nebenher pflegt sie ihre Sammlung von Avocadokernen, die ihr auch in sexueller Hinsicht wertvolle Dienste leisten. Selbst wenn Helens Besessenheit eine Notoperation nötig werden lässt - ihr ungestümer Witz und ihre Wahrhaftigkeit machen sie zu einer Sensation nicht nur auf der Station des Krankenhauses. Sie spricht aus, was andere nicht einmal zu denken wagen.



Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2008
Sehr viel gemeinsam hat Charlotte Roche, daran lässt Patrick Bahners keinen Zweifel, mit dem Papst. Oder jedenfalls dem Papst, wie eine Figur in Denys Arcands in dieser Kritik sehr, sehr ausführlich zum Vergleich herangezogenem Film "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" ihn sieht: als in Sachen Sexualität auf seine ganz privaten Probleme (Masturbation, Prostata) reduziert. Um eine solche Reduktion geht es auch der als unkonventionelle Fernsehperson aufgefallenen Charlotte Roche. Als Romanautorin lässt sie nun eine ihr zu siebzig Prozent - sagt sie laut Bahners in Interviews - ähnelnde achtzehnjährige Heldin namens Helen furchtbare Hämorrhoidenprobleme haben. Und die sind willkommener Anlass, auch auf den weiblichen Restkörper den unerschrockenen Blick der wissenschaftlichen Beobachterin in eigener Sache zu werfen. Bahners findet das "klug" Und meint, dass hier die Perspektive von Engeln auf sehr Irdisches eingenommen wird. Der Rest ist Legende und "Autohagiografie".


Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.02.2008
Wohlwollend äußert sich Rezensentin Jenni Zylka über Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete", auch wenn ihr das Buch wie ein "Schleimporno gegen den Hygienezwang" vorkommt. Im Mittelpunkt stehe die 18-jährige Helen, die wegen einer Analfissur im Krankenhaus liegt und über ihre Leidenschaft für Sex, Kot, Schleim, Blut, Eiter und Schorf monologisiert. Ein echter Porno ist das Werk in Zyklas Augen natürlich nicht, auch wenn es recht drastisch zur Sache geht. Als Aufschrei gegen den in unserer Gesellschaft grassierenden Hygienewahn, als "Hommage an das Unhygienische" und "Pamphlet für Masturbation" weiß sie das Werk durchaus zu schätzen, zumal sie der Autorin einen feministischen Impetus attestiert. Allerdings scheinen ihr die Geschichte recht dürftig und die Figur der Helen "seicht". Für sie funktioniert das Buch nur auf der "Ebene der Provokation". Das eigentlich Mutige daran ist ihres Erachtens, dass die allseits beliebte Charlotte Roche in Kauf nimmt, dass sich FeuilletonistInnen, die sie vorher mochten, nun angeekelt von ihr abwenden.


Lesereise von Charlotte Roche unter www.charlotteroche.de


Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.08.2007

Franziska Gerstenbergs "Solche Geschenke"
Ganz "wunderbar" findet Rezensentin Anja Hirsch diesen Band mit vierzehn Erzählungen Franziska Gerstenbergs. Sie attestiert der Autorin, "große Themen" gekonnt "auf Kleinformat" einzudampfen und dabei eine erstaunliche Menschenkenntnis an den Tag zu legen. Die Geschichten über den Haarausfall der Freundin, die Pflege des dementen Vaters, den Autounfall der Mutter oder das Familienfest thematisieren für sie zumeist die "Auflösung alter Strukturen" und den Beginn neuer Verhältnisse. Bewunderung äußert sie dabei nicht nur für Gerstenbergs Talent, den Leser in ihre Geschichten hineinzuziehen, sondern vor allem für ihre Souveränität, die Figuren in ihren Geschichten in das Leben der anderen Figuren hinein zu ziehen, bis sie "fast zur Unkenntlichkeit darin verschwinden", so dass ein "Gefühl subtiler Bedrohung" entsteht.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Babelfisch,
bin beim Googeln von Rocketoire auf Deine Seite gestoßen. Man kommt mittlerweile nicht mehr um den Charlotte Roche Wahn herum. Ich finde es schade, dass dieses
Thema, die Entdeckung der weiblichen Sexualität--und ihre dunklen Kapitel ;-), in dieser Form mißbraucht wird.
Geht es Roche tatsächlich um Aufklärung oder brauchte sie nur einen Aufhänger, der ihre wenig ausgetüftelte Moderatorensprache kompensiert? Sie fand es ja schon witzig, eine Lesung zu Doktorarbeiten, die das Thema Vaginalverlezung, behandelt zu präsentieren. Diese "ich bin der britische Knallfrosch" Nummer zieht bei mir einfach leider auch nicht so recht. Zudem finde ich auch, dass der Feminismus relevantere
Themen in die Öffentlichkeit bringen sollte. Außerdem wird der Tatsache kaum Aufmerksamkeit geschenkt, dass Männer häufiger die Schule abbrechen und wahrscheinlicher als Frauen Selbstmord begehen. Das zeigt, dass es tatsächlich auch gravierende gesellschaftliche Probleme erzeugen kann, wenn rein geschlechtsspeziefisch gefördert wird.

Vielleicht leben wir in einer Zeit, in der Mädchen noch immer darauf warten, dass sie zu etwas aufgefordert werden. Und wenn man sie nicht ganz klar darauf hinweist, dass sie sich und ihre Sexualität erkundigen dürfen, dass sie auch Hip Hop Rapperinnen werden können, dass sie auch coole Punkbands gründen können -- dann wird daraus nichts.

In England scheint es tatsächlich ein Problem mit der sexuellen Aufklärung zu geben. Die Rate der Jungendlichen, die vor dem 16 Lebensjahr ein Kind bekommen ist hier extrem hoch. Die Briten nehmen Platz 2 auf der Weltrangliste ein.

Grüße aus Nottingham!